Arbeitgeber aufgepasst

Arbeitgeber aufgepasst! – Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers bei verspäteter Zielvorgabe möglich

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 19.02.2025 (10 AZR 57/24) entschieden, dass eine nachträgliche Zielvorgabe, die ihre Motivations- und Anreizerfüllung nicht mehr erfüllen kann, grundsätzlich einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz auslöst.

Diese Entscheidung birgt Zündstoff in sich.

Zum Sachverhalt:
Dem Arbeitnehmer stand arbeitsvertraglich eine variable Vergütung auf der Grundlage einer Zielvorgabe des Arbeitgebers zu, die sich zu 70 % aus Unternehmenszielen und zu 30 % aus individuellen Zielen zusammensetzte. Erst Ende September teilte der Arbeitgeber allen Führungskräften mit, es werde hinsichtlich der individuellen Ziele von einem Zielerreichungsgrad von 142 % ausgegangen, basierend auf der durchschnittlichen Zielerreichung aller Führungskräfte in den vergangenen drei Jahren. Mitte Oktober erhielt der Arbeitnehmer sodann konkrete Zahlen zu den Unternehmenszielen einschließlich deren Gewichtung, aber keine Vorgabe individueller Ziele.

Der Arbeitgeber bezahlte im Folgejahr eine variable Vergütung. Der Arbeitnehmer klagte auf Schadensersatz zusätzlich zur bezahlten variablen Vergütung, weil der Arbeitgeber ihm keine individuellen Ziele und die Unternehmensziele verspätet vorgegeben habe.

Die Entscheidung:
Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Schadensersatz. Der Arbeitgeber hat seine Verpflichtung zur Festlegung einer Zielvorgabe schuldhaft verletzt, indem er dem Arbeitnehmer keine individuellen Ziele vorgegeben und ihm die Unternehmensziele erst verbindlich mitgeteilt hat, nachdem bereits etwa ¾ der Zielperiode abgelaufen waren. Eine ihrer Motivations- und Anreizfunktion gerecht werdende Zielvorgabe war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich.

Der zu ersetzende Schaden wird im Wege der Schätzung ermittelt. Dabei ist nach Auffassung des BAG die für den Fall der Zielerreichung zugesagte variable Vergütung zugrunde zu legen, die auf einer, billigem Ermessen entsprechenden, Zielvorgabe beruht. Das BAG unterstellt dann, dass der Arbeitnehmer die Unternehmensziele zu 100 % und die individuellen Ziele entsprechend dem vom Arbeitgeber mitgeteilten Durchschnittswert erreicht hätte.

Den Arbeitnehmer traf auch kein anspruchsminderndes Mitverschulden. Bei einer unterlassenen oder verspäteten Zielvorgabe des Arbeitgebers scheidet ein Mitverschulden des Arbeitnehmers wegen fehlender Mitwirkung regelmäßig aus, weil allein der Arbeitgeber die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele trägt.

Praxistipp:
Die Entscheidung zeigt deutlich, dass der Arbeitgeber, wenn er eine zusätzliche variable Vergütung auf der Basis einer Zielvorgabe vereinbart hat, die Ziele für die Arbeitnehmer so frühzeitig im Jahr festlegen sollte, dass sie dem Arbeitnehmer noch Motivation und Anreiz zur Erfüllung geben. Sonst kann es passieren, dass der Arbeitgeber im Wege eines Schadensersatzanspruchs die variable Vergütung zu 100 % oder nach der durchschnittlichen variablen Vergütung früherer Jahre schuldet.

Bei Fragen zum Insolvenzrecht berät Sie gerne: Frau Cornelia Leicht, +49(721) 82 82 90.