Kein Entkommen aus der Klauselkontrolle nach AGB-Recht?

Eine aktuelle Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 23.11.2023 – 2 U 99/22 bringt wertvolle Hinweise für die Praxis der Vertragsgestaltung und bestätigt die strengen Anforderungen, die an die richterliche Unterscheidung zwischen Individualvereinbarungen und AGB gestellt werden. Hierbei stellt sich für jede Vertragsklausel individuell die Frage, wann sie als AGB gilt und damit der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegt.

Kernaussage: Um die rechtliche Wirksamkeit einer gesetzesfremden Regelung sicherzustellen und das Risiko einer gerichtlichen Beanstandung zu minimieren bedarf es des Aushandelns. Nach dem Verständnis des BGH ist hierfür eine Abänderung des gesetzesfremden Kerngehalts der Regelung erforderlich. Nur eine Abschwächung der benachteiligenden Wirkung reicht nicht aus. Dem Verwender ist dabei dringend anzuraten, den Verhandlungsprozess präzise zu dokumentieren.

Gegenstand der AGB-Kontrolle vor dem OLG Düsseldorf war ein, durch eine Rechtsanwaltskanzlei verfasstes, Vertragsstrafeversprechen betreffend eine Unterlassungserklärung. Die Ursprungsfassung der Unterlassungserklärung enthielt weitere Klauseln zur Rechnungslegung, Entschädigung, Vernichtung, zu Rechtsanwaltskosten sowie zum Gerichtsstand. Diese Klauseln strich die Beklagte heraus, so dass im Kern die strafbewehrte Unterlassungspflicht übrig blieb.

1. Liegt eine Allgemeine Geschäftsbedingung vor?

Eine Regelung ist als Allgemeine Geschäftsbedingung einzustufen wenn sie vom Verwender

• für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert (Mehrfachverwendungsabsicht) und
• nicht im Einzelnen ausgehandelt ist.

Hierfür kann bereits die Vorlage des betreffenden Vertrages genügen!

Denn aus Inhalt und Gestaltung von Vertragsklauseln kann der äußere Anschein folgen, dass diese zur mehrfachen Verwendung vorformuliert wurden. Ein solcher Anschein kann sich zum Beispiel daraus ergeben, dass Vertragsklauseln weitgehend allgemein und abstrakt gehalten sind. Es ist dabei nicht erforderlich, dass das gesamte Vertragsmuster diesen Anforderungen entspricht. Entscheidend ist, ob einzelne Vertragsklauseln jeweils die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 BGB erfüllen.

In den Fällen von durch Dritte vorformulierten Verträgen genügt es, dass diese vom Dritten in Mehrfachverwendungsabsicht erstellt wurden. Eine Partei, die sich eines von einem Dritten erstellen Formulars bedient, kann sich nicht darauf berufen, dass sie selbst nur die Absicht hatte, dieses in einem einzigen Fall zu verwenden.

Das OLG Düsseldorf stufte die Vertragsstrafenklausel als Formularbestimmung ein und verwarf sie wegen unangemessener Benachteiligung als unwirksam (§ 307 Abs. 1 BGB). Dies ergab sich bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung daraus, dass Rechteinhaber Unterlassungserklärungen häufig für mehrere Fälle formulieren lassen und anwaltliche Vorlagen nutzen, was für eine Mehrfachverwendungsabsicht spricht. Insbesondere bei anwaltlich vorformulierten Vorlagen streite bereits der erste Anschein für eine Mehrfachverwendungsabsicht und damit für das Vorliegen einer Formularbestimmung, denn die Kanzlei wird auf vorhandene Vorstücke bzw. Muster zurückgreifen oder – bei erstmaliger Formulierung – darauf bedacht sein, solche auch für spätere Mandate zu entwickeln.

2. Rettung durch Aushandeln einer Individualvereinbarung?

Keinen AGB-Status haben sogenannte „Individualvereinbarungen“, also Regelungen, die zwischen den Vertragspartnern im Einzelnen ausgehandelt wurden (§ 305 Abs. 3 BGB). Der BGH macht für „Individualvereinbarungen“ seit je her strenge Vorgaben: Aushandeln bedeutet mehr als bloßes Verhandeln. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden,

• wenn der Verwender (also der Vertragspartner, der den Text des Angebots / des Vertrages / der AGB formuliert hat) den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder den in dem von ihm vorgeschlagenen Angebot oder Vertrag enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und
• dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der effektiven Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen.

Was bedeutet das für die Praxis?

Der Verwender muss sich deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären. Die entsprechenden Umstände hat der Verwender nachzuweisen. In der Regel schlägt sich das Aushandeln in Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Die allgemein geäußerte Bereitschaft, belastende Klauseln abzuändern, genügt nicht.

Aber Achtung selbst bei Vorliegen einer Formulierungsänderung!

Hieraus kann nicht ohne weiteres ein Rückschluss auf eine Dispositionsbereitschaft gezogen werden. Denn nach der Rechtsprechung des BGH verliert eine Klausel selbst bei Änderungen des Textes ihren Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingung nur dann, wenn die nachträgliche Änderung in einer Weise erfolgt, die es rechtfertigt, sie wie eine von vornherein getroffene Individualvereinbarung zu behandeln. Das ist nicht der Fall, wenn der gesetzesfremde Kerngehalt der Klausel beibehalten und die nachteilige Wirkung der Klausel lediglich abgeschwächt wurde.

Es kommt auch nicht darauf an, ob die vom Verwender gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen an irgendeiner Stelle abgeändert oder ergänzt wurden, um von einem Aushandeln auszugehen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Klausel vielmehr auch dann nicht ausgehandelt, wenn nach Verhandlungen über verschiedene andere Teilaspekte eines Vertrags nur dort Vertragsbedingungen geändert worden sind, nicht aber an der streitbefangenen Klausel.

Auch der Nachweis der Ausgestaltung als einheitliches Verhandlungspaket aufgrund gründlicher Erörterung und Abänderung des Klauselwerkes an mehreren zentralen Punkten, wenn die Parteien alle sachlich damit zusammenhängenden Bedingungen in ihren Gestaltungswillen aufgenommen und damit das ganze Klauselwerk ausgehandelt haben (BGH NJW 2013, 2027 Rn. 20), wird kaum zu führen sein, wenn es sich bei einer unveränderten Bestimmung um den Kernbereich des jeweiligen Vertrages handelt.

Unter Anwendung dieser Grundsätze verneinte das OLG deshalb ein Aushandeln der Vertragsstrafenklausel, da selbst die erheblichen Streichungen und Änderungen vorliegend gerade nicht den Kernbereich der strafbewehrten Unterlassungserklärung betroffen haben. Stattdessen blieb dieser inhaltlich unverändert, ohne dass es hierüber zu einer Erörterung zwischen den Parteien (z.B. durch Austausch von Entwürfen) kam.

Bei der Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung berät Sie gerne: Frau Dr. Ulrike Gräfe, +49(721) 82 82 90