Gesamtschuldverhältnisse können am Bau in verschiedensten Konstellationen auftreten, etwa zwischen Vor- und Nachunternehmer, zwischen planendem und bauleitendem Architekten oder zwischen Auftragnehmer und Architekten. Ein solches Schuldverhältnis setzt voraus, dass [] mehrere eine Leistung in der Weise [schulden], dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner, § 421 BGB).
Liegt eine gesamtschuldnerische Haftung also immer dann vor, wenn sich ein Mangel zeigt, der mit mehreren Beteiligten in Verbindung gebracht werden kann?
Mitnichten. Denn für eine Gesamtschuld wird gefordert, dass die Verpflichtungen der Schuldner grundsätzlich inhaltsgleich sind und gleichstufig nebeneinanderstehen.
An einer Gleichstufigkeit der Verpflichtungen fehlt es beispielsweise, wenn der schadensersatzpflichtige bauleitende Architekt gegen seine vertragliche Objektbegehungspflicht im Rahmen der Leistungsphase 9 verstoßen hat, das bausauführende Unternehmen aber wegen ihm zuzurechnender Mängel im Bauwerk haftet (BGH, Urt. v. 01.12.2022 VII ZR 90/22, IBR 2023, 80). Auch wenn zunächst zwischen Generalunternehmer und dem planenden Architekten eine Gesamtschuld bestand, weil sie für denselben Mangel verantwortlich sind, liegt keine Verantwortung für den gleichen Mangel und damit kein Gesamtschuldverhältnis mehr vor, wenn der Bauherr seine Ansprüche wegen der fehlerhaften Planung an den Generalunternehmer abgetreten hat Denn dann ist der Generalunternehmer Inhaber der gesamten Forderung und der planende Architekt haftet mangels Gleichstufigkeit nur noch in Höhe seines eigenen Verursacheranteils (OLG Köln, Urteil vom 18.06.2015 – 3 U 133/14, IBR 2020, 1013).
Für Verträge, die nach dem 1.1.2018 geschlossen wurden, steht Architekten mit § 650 t BGB zudem jedenfalls solange ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis dem bauausführenden Unternehmen eine – erfolglos gebliebene – Nacherfüllungsfrist eingeräumt wurde.
Unabhängig von der stets umstrittenen Haftungsquote der Gesamtschuldner untereinander zeigt sich also bereits bei der Geltendmachung gesamtschuldnerischer Haftungsansprüche das hierin schlummernde Streitpotential. Um Verzögerungen und Streitigkeiten während des Bauablaufs zu vermeiden, empfiehlt es sich jedenfalls bei größeren Bauvorhaben, über eine gemeinsame Projektversicherung nachzudenken.
Im Bau- und Architektenrecht berät Sie gerne: Frau Andrea Kleindienst, +49(721) 82 82 90